Tra – viele ältere Landsberger werden sich bei diesem Spitznamen an einen Mann erinnern, der das religiöse und kulturelle Leben der Stadt, vor allem aber ihr eigenes Erwachsenwerden nachhaltig geprägt hat. Josef Hartlmaier war als Pädagoge und Jugendseelsorger Gründer und langjähriger Leiter des Landsberger Jugendchors, aus dem der heutige Kammerchor hervorging. Für seine Lebensleistung erhielt er eine Reihe von Auszeichnungen, unter anderem das Bundesverdienstkreuz und den Goldenen Ehrenring der Stadt. Stadtheimatpfleger Anton Lichtenstern beschreibt Josef Hartlmaier als einen charismatischen, humorvollen und hochgebildeten Priester. Der junge Pfarrvikar hatte in seinen ersten Jahren in Landsberg als Spitalpfarrer am Heilig-Geist-Spital damit begonnen, Jugendliche um sich zu sammeln – misstrauisch beäugt von der Gestapo und der Hitlerjugend. Um sich gegen deren Spitzel zu schützen, verwendeten seine Freunde und Vertrauten als Tarnnamen für ihn „Tra“ – seinen lebenslangen Spitznamen. In der Wohnung von Josef Hartlmaier wurde geistliche Musik für die Gottesdienste eingeübt. Daraus entstand laut Lichtenstern der Landsberger Jugendchor, der sich später in „Kammerchor“ umbenannte. Mit diesem Chor ging Hartlmaier in den Nachkriegsjahren auf Konzertreisen in die Schweiz sowie nach Spanien und Österreich. Anton Lichtenstern erinnert sich: „Auf dem Bürgenstock am Vierwaldstätter See durften wir sogar vor dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer singen, der daraufhin die Kosten für einen dreitägigen nicht vorgesehenen Abstecher an den Luganer See übernahm.“ Anfang der 50er Jahre übergab Josef Hartlmaier die Leitung des Chores.
Der junge Pfarrer gründete auch Jugendgruppen, die von älteren Jugendlichen geführt wurden. Mit viel Aufwand und Erfolg wurde Theater gespielt, wobei Hartlmaier Regie führte. So wurden im Säulenhof des Spitals unter anderem Shakespeares „Sommernachtstraum“ und der „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal aufgeführt. Der „Jedermann“ vor der Fassade der Kirche. Für die Zuschauer wurden eigens Tribünen errichtet, erinnert sich Anton Lichtenstern.
In den Sommermonaten veranstaltete Hartlmaier Zeltlager für die Jugendgruppen – zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nahe Schloss Neuschwanstein, danach mehrere Jahre an den Riegsee. Josef Hartlmaier gelang es dabei, dafür die Unterstützung der US Army zu gewinnen. „Wir wurden auf Trucks an den See gebracht und schliefen auf Feldbetten in Armeezelten“, sagt Anton Lichtenstern. Trotz seiner Behinderung – er trug infolge eines Unfalls seit seiner Jugend eine Fußprothese – nahm Pfarrer Hartlmaier an den Zeltlagern teil. Mit viel Hingabe setzte sich Josef Hartlmaier für ein Heim für die Jugend ein. Mithilfe eines Trägervereins und unter großen Opfern gelang es schließlich, den ehemaligen Schweinestall der Ackerbauschule in ein Haus mit mehreren Gruppenzimmern, einem Saal und einer kleinen Werkstatt umzubauen. Das Haus an der Stadtmauer war lange Jahre der Treffpunkt für junge Menschen aus der ganzen Stadt. Heute hat darin der Alpenverein eine Heimat gefunden. 1953 übernahm Josef Hartlmaier in einer schwierigen Situation die Verantwortung für das städtische Schülerheim, das er zehn Jahre leitete. Zudem kümmerte er sich lange Jahre um die Bewohner des Spitals. „Er hat durch seinen tiefen Glauben, sein liebenswürdiges, den Menschen zugewandtes Wesen, seine Weltoffenheit sowie durch seine beeindruckende Persönlichkeit unzählige Landsberger nachhaltig für ihr ganzes Leben geprägt“, sagt der ehemalige Stadtpfarrer Thomas Rauch.
(Quelle: Landsberger Tagblatt vom 28.02.2009)
Josef Hartlmaier wurde am 1. März 1909 in Bergkirchen im Landkreis Dachau geboren. Nach seiner Priesterweihe am 8. Juli 1943 war er zwei Jahre lang Kaplan in Mering und Göggingen. 1941 kam er als Pfarrvikar nach Landsber in die Spitalpfarrei. Ab dem 2. Juli 1946 unterrichtete er als hauptamtlicher Religionslehrer an der Oberschule für Jungen in Landsberg. An der späteren Oberrealschule war er als Studienrat (ab Dezember 1948), Studienprofessor (ab Juli 1958), Oberstudienrat (ab Oktober 1960) und zuletzt als Gymnasialprofessor (ab Januar 1965) tätig. Seinen Ruhestand verbrachte Josef Hartlmaier in Issing, wo er am 14. Oktober 1986 starb und begraben liegt.